Mardi Gras: Der Wahnsinnskarneval von New Orleans (2024)

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Nackte Brüste, Zwerge in Lederkluft, Marschbands, als Indianer verkleidete Schwarze, als Schwarze verkleidete Weiße. Durch die Häuserschluchten kriechen geschmückte Wagen, von denen Ketten in die Massen fliegen. Grün sind diese "Beads", oder purpurfarben. In den bunten Regen greifen gierig die Hände, die noch nicht beladen sind mit Bierflaschen. Bier, das auf der Straße getrunken wird. Mitten am Tag. In den USA.

New Orleans, diese Stadt im Sumpf von Louisiana, gleicht einem Tollhaus. Mittendrin der 27-jährige Bruce Gilden, ein langhaariger Großstädter in Militärjacke. Seine Leica M4 fest in der Hand, streift er durch die Gassen und Straßen des French Quarters, hält immer wieder inne, macht Aufnahmen. "Kann ich Ihren Schwanz lutschen?", fragt ihn höflich ein gut gekleideter Herr im Smoking, mitten auf der Straße. "Nein, haben Sie vielen Dank", antwortet der New Yorker. Er stammt aus einem urbanen Moloch mit vielen Extremen, dem Inbegriff des "melting pots" - und doch weiß er hier nicht, wo er zuerst fotografieren soll.

Es ist 1974, den Vorabend des Aschermittwochs nennen sie hier Mardi Gras - den "fetten Dienstag". Traditionell ist es das letzte große Fressen vor der Fastenzeit, die sich bis Ostern hinzieht. Bruce Gilden, 1946 in Brooklyn geboren, war dafür mit dem Kleinbus in den Süden der USA gereist, mit seiner jungen Frau und seinen beiden Hunden. Der Rausch des Festes in New Orleans überwältigte ihn. Jahre später nannte Gilden, zum gefeierten Fotografen aufgestiegen, den Mardi Gras einen "heidnischen Traum, in dem du alles sein kannst, was du sein willst".

Die fetten Tage sind vorbei

Der Straßenkarneval hat viele Fotografen elektrisiert. Besonders die Fotos des deutschen Emigranten John Gutman 1938 begeisterten Gilden. "Ich dachte, wenn dort so etwas passiert, dann kann ich wirklich gute Bilder machen", erklärt er in "Hey Mister, throw me some Beads!", seinem Buch zum Karneval in New Orleans.

Seinen Ursprung hatte das Fest im Süden der USA in Bräuchen, die aus Europa in die Neue Welt gelangt waren. Gegründet wurde New Orleans 1718 von französischen Siedlern unter Führung von Jean-Baptiste Le Moyne de Bienville. Die Siedlung im Mississippi-Delta ging Mitte des 18. Jahrhunderts an Spanien über, wechselte wieder in französischen Besitz und wurde schließlich von Napoleon 1803 an die Vereinigten Staaten verkauft.

Die stark katholisch geprägten Franzosen waren es auch, die Fastenbräuche wie den Karneval in die Neue Welt exportierten. Wo genau der erste Mardi Gras in den USA gefeiert wurde, ist heute stark umstritten. Schon auf einer frühen Expedition im Mississipi-Delta hatten die Franzosen am 3. März 1699, dem Tag vor Aschermittwoch, eines ihrer Camps Point du Mardi Gras genannt. Ein Händler beschrieb in einem Reisebericht von 1730 ein Fest in New Orleans, bei dem kostümierte Menschen tanzten. Und auch die Einwohner des nahe gelegenen Mobile zogen verkleidet durch ihre Siedlung. Später entwickelte sich hier die mystische Vereinigung Cowbellion de Rakin Society - mit Kuhglocken und Rechen bewehrt, organisierte sie unter größter Geheimhaltung die Karnevalsfeiern.

Voodoo, Jazz und Aschekreuze

Mystick Krewe of Comus - unter diesem geheimnisvollen Namen kamen im Dezember 1856 sechs Geschäftsmänner in New Orleans zusammen. Im French Quarter, dem Herzen der Stadt, wo über hundert Jahre zuvor die Franzosen ihre Siedlung im Sumpf errichtet hatten. Nach dem Vorbild der Kuhgemeinschaft aus dem benachbarten Mobile, wollte der Geheimbund mit einer Parade den "fetten Dienstag" feiern. Benannt haben sie sich nach "Comus", einem Maskenspiel des englischen Schriftstellers John Milton.

Die Paraden sollten untrennbar mit der Geschichte der Stadt verschmelzen. Nach der Premiere im Frühjahr 1957 etablierten sich zahlreiche weitere Krewes (gesprochen wie das englische "Crews") und veranstalteten ebenfalls Bälle und Umzüge. Die Rex oder die Krewe of Proteus etwa. Der geheimnisvolle Anstrich, den sich die Narren der Südstaaten verpassten, wurde zum wichtigen Teil der Karnevalstradition.

Im Mardi Gras mischten sich Moralvorstellungen der katholischen Kirche mit Voodoo-Ritualen versklavter Menschen aus Afrika. Dixieland-Jazz und indianische Bräuche gingen Hand in Hand. Gruppen sogenannter "Mardi Gras Indians" entstanden - Vereinigungen schwarzer Einwohner, die sich als "Wild Treme" oder "Congo Nation" in den Kostümen amerikanischer Ureinwohner zeigten.

Närrische Trutzburg im Sumpf

Unaufhaltsam war der Siegeszug des Mardi Gras - nur zu Kriegszeiten machten die kreolischen Jecken kurz Pause. Nach Ausbruch des Sezessionskrieges zwischen Konföderierten und Union druckte die "New Orleans Daily Picayune" am 1. März 1862 eine Proklamation der Mystick Krewe of Comus: Das närrische Treiben war abgesagt, ebenso wie 1917 zum Ersten und 1942 zum Zweiten Weltkrieg, sowie 1951 nach Eintritt der USA in den Koreakrieg.

Den vielleicht tiefsten Einschnitt in der langen Geschichte des Mardi Gras brachte "Katrina". Am 29. August 2005 verwüstete der Hurrikan New Orleans und das Umland. Die Deiche brachen, 1464 Menschen starben. Der Großteil der Bewohner wurde evakuiert, während räuberische Banden Häuser plünderten.

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Auch diese Katastrophe hat der Mardi Gras in New Orleans überstanden. Der Charakter der Stadt als Schmelztiegel, nirgendwo wird er so deutlich wie am "fetten Dienstag". Dem Tag, an dem alle Regeln außer Kraft sind.

Sieben Jahre in Folge hat Bruce Gilden diesen Ausnahmezustand festgehalten: Hippies in Frankensteinmasken und Westerntypen, Lederfetischisten und Transvestiten. "Ich denke, es ging mir in meinem Statement sehr um die amerikanische Gesellschaft in den Siebzigern - aber nicht nur", sagt die Fotografenlegende. "Es gilt immer noch: Der Mardi Gras in New Orleans bringt Menschen zusammen, die normalerweise nicht zur selben Zeit am selben Ort zusammenkommen würden."

Mardi Gras: Der Wahnsinnskarneval von New Orleans (2024)

FAQs

What is the Mardi Gras celebration in New Orleans? ›

Mardi Gras is about music, parades, picnics, floats and excitement. It's one big holiday in New Orleans! Revelers know to wear costumes or at least dress in purple, green, and gold, and adorn themselves with long beads caught from the floats of previous parades.

Are Mardi Gras and Carnival the same thing? ›

Carnival is a Season; Mardi Gras is a day.

Technically, “Mardi Gras” is the last Tuesday before Ash Wednesday and ushers in 40 days of best behavior during Lent, and “Carnival” is the season that begins on the Feast of Epiphany, January 6.

How long does Mardi Gras last in New Orleans? ›

Celebrations are concentrated for about two weeks before and through Shrove Tuesday, the day before Ash Wednesday (the start of lent in the Western Christian tradition).

When should I go to New Orleans for Mardi Gras? ›

The weekend before Fat Tuesday is the prime time to visit New Orleans for Mardi Gras. This is the weekend when Bacchus and Endymion, two of the biggest parades of the season, roll down the streets of New Orleans. The streets are packed all day Saturday and Sunday with parade watchers.

What does krewe stand for? ›

A krewe is, simply, a club or organization that exists to celebrate Carnival. But while a krewe has royalty, the positions of king and queen are merely ceremonial. The identities of the queen and her maids are usually public, while the identities of kings are often secret—Rex being a notable exception.

How far apart are Baton Rouge and New Orleans? ›

Baton Rouge is 82 miles northwest of New Orleans, driving on I-10 West. The drive takes about 1 hour and 20 minutes as you travel through some unique scenery.

What is the best time to go to New Orleans? ›

Spring. Spring is probably the best season for weather in New Orleans. Mild temps are ideal for outdoor festivals, and there are plenty this time of year.

When not to go to New Orleans? ›

June through September are New Orleans' hottest months to visit. You won't see many major festivals and celebrations during this period, as temperatures and humidity can be particularly severe. Hurricane season also peaks in August and September.

What color do you wear on Fat Tuesday? ›

Rex also is responsible for the traditional colors of Mardi Gras — purple, green and gold. Rex introduced the trio in 1872 and later assigned each a meaning: gold for power, green for faith and purple for justice. Why they were originally chosen is up for debate.

What is the cheapest month to go to New Orleans? ›

Best Times to Visit New Orleans for Lower Prices

Hotel rates tend to drop in August — perfect if you want to book a stay at one of New Orleans's best hotels— while average domestic flight prices are especially affordable from July through September.

What is the difference between Carnival and Carnaval? ›

The word "Carnival" is of Christian origin. The Latin-derived name of the holiday is sometimes also spelled Carnaval, typically in areas where Dutch, French, Spanish, and Portuguese are spoken, or Carnevale in Italian-speaking contexts. Alternative names are used for regional and local celebrations.

Is Carnival a Catholic holiday? ›

Carnival, the merrymaking and festivity that takes place in many Roman Catholic countries in the last days and hours before the Lenten season. The derivation of the word is uncertain, though it possibly can be traced to the medieval Latin carnem levare or carnelevarium, which means to take away or remove meat.

Is Royal Caribbean as good as Carnival? ›

Assuming both cruise lines can fit your date, destination and amenity preferences, Royal Caribbean comes out ahead. This is particularly true if your budget can accommodate the higher cost for interior cabins and/or you aren't traveling with kids.

Who celebrates carnaval? ›

Either way, calling Carnival a tradition with exclusively Western or Christian roots is likely too limiting. Today, the winter festival is celebrated in more than 50 countries around the world, including Brazil, Italy, Switzerland, Trinidad and Tobago, and the United States.

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Author: Kareem Mueller DO

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